Beitrag 27 – Wer den Namen bestimmt, definiert die Verhältnisse

Dies ist eine Beitragsserie über das Buch „Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“, das in 90 Beiträgen verschiedene Aspekte der „Commons“ beleuchtet. Jeder Beitrag wird kurz von mir zusammengefasst. Falls passend, werde ich eine „Moral“ oder ein „Fazit“ ziehen und Gedanken und Fragen zur Diskussion stellen.
Alle Beiträge zu diesem Buch sind mit dem tag „Commons-PMS“ gekennzeichnet und mit diesem erreichbar. Sie stehen unter der Lizenz CC-by-sa. Das Buch kann man auch unter dem Punkt „Open Access“ beim Verlag herunterladen.

Beitrag 27 – Wer den Namen bestimmt, definiert die Verhältnisse

Bezeichnungen und Redeweisen begründen Politik. Wie benennen und klassifizieren wir die Welt? Welche Logik nehmen wir an und welche marginalisieren wir?

Willie Mays war ein berühmter Baseballspieler. Er war cool. Er spielte in Harlem. Damals gab man den Stadien noch Namen, die eine Verbundenheit mit dem Ort ausdrückten. Quasi eine Tradition bei Ortsnamen. So hieß das Stadion der Giants in San Francisco Candlestick Park wegen der Candlestick Spitze der Bucht.

Als die Giants im Jahr 2000 in ein neues Baseballstadion umzogen, wurde dieses Stadion ein voller Erfolg, außer in einer Hinsicht: dem Namen. Der Klang eher wie ein Bürogebäude: Pac Bell Platz, nach einem Unternehmen. Der Name änderte sich noch mehrmals, während in Harlem sich zwar das Stadion änderte, nicht aber der Name.

Den letzten Namenswechsel nahmen die Fans als Chance war – für das Team, und auch das Unternehmen AT&T, das um öffentliche Aufmerksamkeit warb. Sie wollten den Ort Willie-Mays-Platz nennen. Indem das Unternehmen auf seinen Namen verzichtete, würde es mehr Anerkennung und Wohlwollen erhalten. Es gab das ganze Programm: Shirts, Webseiten, Unterschriftensammlungen und Artikel in der Lokalpresse. Es wurde sogar ein Kompromiss angeboten: Mays Field im AT&T Park. Solche Konstruktionen gab es schon öfter. Sie sind nicht sonderlich originell, erkennen aber an, dass diese Spielplätze Orte mit Geschichte und Geschichten sind.

Doch in San Francisco geschah das nicht. Die Giants erinnern nicht an den Helden, sondern an das Telefonmarketing zur Abendbrotzeit. Die Levi Strauss Company kaufte für 6 Millionen Dollar den Namen für die rechte Platzhälfte.
Doch egal wie viele Millionen diese Unternehmen bezahlen, egal wie viele Namensrechte sie kaufen, keinem von beiden gehören Sprache und Wörter. Jeder kann den Ort nennen, wie er will, auch Willie Mays Field. Wenn genügend Menschen das tun, wird dieser Ort auch so heißen, außer in Verträgen. Das gilt für jeden Ort.
Etwas benennen zu können heißt, etwas definieren zu können. Wenn wir die Namen von Orten in unserer Umgebung zurückholen, beginnen wir, die Orte selbst zurückzugewinnen.

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Wer mich kennt weiß, wie wichtig mir Namen und Bezeichnungen sind. Unsere Worte, unsere Sprache formt unser Denken. Eine Benennung kann uns im Nachdenken über einen Sachverhalt blockieren oder uns das Nachdenken erleichtern. Ein anderer Name kann uns ganz neue Perspektiven eröffnen.
Oder um es mit einem Sprichwort zu sagen: der Unterschied zwischen einem Terroristen und einem Freiheitskämpfer liegt oftmals nur in seinem Namen.

Der Autor dieses Beitrages, Jonathan Rowe, verstarb unerwartet am 20. März 2011. Er war der erste Direktor des Institutes On the Commons (www.onthecommons.org) Ein Onlinearchiv seiner Arbeiten findet sich auf www.jonathanrowe.org

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